Nationalsozialistisches Gedankengut – es war immer da!

Plakat: Sie sind wieder da!

Die Braunen, Rechten, Nazis und Skinheads, Gewalt, Mißhandlungen, Anschläge und Vieles, was sonst noch damit verbunden ist, findet man in den Medien. Kein Politiker, der nicht in einer Weise dazu Stellung nimmt. Kein öffentlicher Auftritt, wo nicht verurteilt werden die Verbrechen, die von den Andersdenkenden begangen wurden und werden. Seit einigen Monaten wird das Thema um den Rechtsradikalismus in den Medien breitgetreten und Politiker profilieren sich mit lautstarken Forderungen nach mehr Gegeninitiativen, schärferen gesetzlichen Bestimmungen und mehr Geld für den Sicherheitsbereich. Plötzlich wird so getan, als ob es den Rechtsradikalismus erst wieder seit kurzem gäbe.

Eine Plakataktion und die massiven Wortmeldungen haben uns letztendlich dazu gebracht, eine Seite zu beleuchten, die leise und aufmerksam das Geschehen der öffentlichen Meinung beobachtet. Das Plakat (siehe Foto oben) war ein sehr gutes Beispiel dafür, daß den Menschen die Thematik des Rechtsradikalismus als „neues“ Problem dargestellt wird. Wahr ist vielmehr, daß der Nationalismus im 20. Jahrhundert immer präsent war und der Antisemitismus ,die Juden schon seit ein paar Jahrtausenden verfolgt. Das ist der Punkt, weshalb die Herrschaften, die jetzt lauthals nach schärferen Gesetzen rufen und die Medien, denen es in erster Linie um Auflagenzahlen oder Zuseherquoten geht, zu verurteilen sind. Die Gewalt, die Schändungen und auch die Morde waren über die Jahrzehnte von den Rechtsradikalen immer verübt worden. Konstantin WECKER hat nicht 1999 sein Lied über die Ermordung eines Menschen geschrieben, es war Jahre zuvor.

Wir hatten die Möglichkeit mit einem Mann zu sprechen, der als Untergrundbeamter in der rechten Szene sich nicht nur bewegte, sondern auch in ihr und mit ihr lebte. Herr LEHNER (Name von der Redaktion geändert) war das, was man manchmal aus Filmen kennt – ein Ermittlungsbeamter, der Einblicke bekam, die ihn zu einem sehr interessanten Schluß kommen ließen. Auf Grund der Vertraulichkeit dieses Gespräches und den modernen Möglichkeiten, von Wortformulierungen auf die Identität Rückschlüsse ziehen zu können, wurden wir gebeten, bei der Wiedergabe der Inhalte sinngemäß vorzugehen und nicht zu zitieren. Wir werden unsere Fragen und die sinngemäßen Antworten daher unterschiedlich kennzeichnen.


NazisInterview:

Wie sehen Sie die Entwicklungen im rechtsextremistischen Bereich und was sagen Sie zu den diversen Äusserungen der Politiker in den vergangenen Monaten?

Es ist traurig und erfreulich zugleich, dass durch das verstärkte Medieninteresse die Verbrechen dieser Personengruppen mehr in die Zimmer und somit in das Bewußtsein der Menschen gelangt. Das ist das Erfreuliche. Traurig ist, wie meistens bei diesen Dingen, daß schwere Verbrechen begangen werden, das bedeutet, Personen zu Schaden oder ums Leben kommen müssen, damit Initiative ergriffen wird. Politiker sind meistens bei Themen zur Stelle, bei denen es darum geht, Wählerstimmen zu erhalten. Wäre es das Thema der Problematik des Rechtsradikalismus alleine, so besteht der Handlungsbedarf nicht erst seit der letzten Zeit. Wenn Sie die Entwicklung der Medien verfolgen, so können Sie die Reaktion der politischen Ebene auf Meinungsmacher immer rascher verfolgen. Es steuern die Zeitungen und das Fernsehen. Dann gilt es für Politiker, rasch zu reagieren. Auf der anderen Seite sind sich die Anhänger der rechtsorientierten Szene sehr wohl über die Publicity bewußt – aber bei den Sachbeschädigungen kleineren Ausmaßes gibt es auch „Trittbrettfahrer“, die sich nicht immer bewußt über den „Inhalt“ ihrer Vergehen sind. Für uns als Sicherheitsbehörden weckt die derzeitige Gegebenheit die Hoffnung, daß die notwenigen Gelder zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein Hauptmangel in vielen Bereichen des Sicherheitsapparates, der Mangel an Ausrüstung und des Bewegungsspielraumes, der aber für einen effizienten Einsatz notwenig wäre.

Worin sehen Sie die Ursachen für die größere Gewaltbereitschaft und den Zulauf in der rechten Szene?

Die Gewaltbereitschaft war immer vorhanden. Jetzt wird aber auch immer mehr nicht nur unter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, sondern dazu aufgerufen. Und wenn jemand während einer Versammlung zur Gewalt aufruft, dringt dies auch schon an die Öffentlichkeit. Dann bereits mediengerecht aufbereitet. Statt die Sicherheitsbehörden zu informieren, werden Schlagzeilen gemacht. Nicht wegen jeder Aussage kann man Menschen vor Gericht stellen, manchmal sind sie ein Indiz und wenn wir davon Kenntnis erlangen, können wir durch verdeckte Kleinarbeit versuchen, mehr Nachweise zu erbringen, die dann vor Gericht auch zu einer Verurteilung führen können. Aber man darf nicht vergessen, daß die Braunen auch in manchen örtlichen Bereichen eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung haben. Das ist ein soziales Problem. Dort regieren die alten Sprüche, die Ausländer würden den Einheimischen alles wegnehmen und diese seien an allem schuld. Sprüche, die schon vor 70 Jahren begonnen haben zu greifen.

Was meinen Sie zu einem Verbot der NPD?

Da gibt es verschiedene Anschauungsweisen. In diesem Punkt gibt es Politiker, die auch aus dem Aspekt heraus agieren, daß wenn die NPD verboten werden würde, der Wähler ja irgend eine andere Partei wählen würde, sofern er von seinem Wahlrecht Gebrauch machen würde, ja müßte. Grundsätzlich ist es auch richtig, daß sich Personen in dieser Partei oder in ihrem Umfeld befinden, die wir als Zielpersonen ansehen. Es vereinfacht doch auch unsere Arbeit. Die Meinung zu vertreten, daß durch den Verbot der NPD es den Rechten schwerer gemacht werden würde, eine Gesinnungsgruppierung zu bilden, ist nicht ganz richtig. Es würde nur etwas dauern, bis sie in einer neuen Gruppe auftreten würden. Der Status einer Partei, die also wahlfähig ist, ist sicherlich auch zu bedenken. Mir hat meine Arbeit aber andererseits gezeigt, daß Politiker sehr wohl bei Veranstaltungen erscheinen und sich in Schweigen hüllen, wenn offen über antisemitische Haltungen gesprochen wird. Auch hochrangige Beamte, die in Funktionen tätig sind oder waren, wo sie mit rechtsorientiertem Gedankengut nichts verloren hätten. Es gibt in diesem Punkt der NPD vielerlei Aspekte, aber eines sollte bewußt sein und dies hat uns auch die Vergangenheit immer wieder gezeigt: In vielen politischen Gruppierungen gibt es Personen, die nationalsozialistisches Gedankengut in sich tragen.

Was sind die Erkenntnisse Ihrer Arbeit?

Ich bin zu der Auffassung gelangt, daß diese Ideologie nicht ausgerottet werden kann – man kann nicht alle Menschen, die dieser angehören, einsperren. Die große Verantwortung liegt bei der Erziehung durch die Eltern auf der einen Seite und auf der anderen bei den Politikern, die Umstände und Zustände schaffen müssen, die den Menschen verständlich macht, daß kein anderer Mensch ihnen etwas wegnimmt. Dort liegen die Wurzeln begraben. Würden auf politischer Ebene rechtzeitig zukunftsorientierte Entscheidungen getroffen werden, so würde so maches dadurch verhindert werden können und keine Polarisierung entstehen. Zuletzt wäre noch mehr Zivilcourage der Bevölkerung eine wichtige Hilfe!

Herr Lehner, wir danken für das Gespräch.

012610


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