Spanien – Eigenimport des Terrorismus?

SpanienEin verachtungswürdiger Terroranschlag erschütterte am 11. März 2004 den spanischen Alltag. Mehrere Sprengstoffpakete wurden in Zügen deponiert und kamen in der Hauptstadt Madrid zur Detonation. Mit Stand vom 12. März sind als Folge dieses Verbrechens 199 Tote zu beklagen und eine kolportierte Anzahl von etwa 1300 verletzten Personen. Unmittelbar nach Bekanntwerden wurde vordergründig die spanische Separatistenbewegung ETA dafür verantwortlich gemacht und nur am Rande eine Beteiligung, beziehungsweise Urheberschaft der Al QAIDA-Gruppe in Erwägung gezogen.

Der mitteleuropäische Raum ist bis zum Anschlag auf Madrid von Ereignissen in einem derart großen Ausmaß verschont geblieben, nun ist etwas eingetreten, das Szenarien bei Zielen von zivilen, unbeteiligten Personen übertrifft. Als Zielobjekt Personenzüge für einen Anschlag auszuwählen – damit hätte man kaum gerechnet. Es zeigt jedoch auch die Verwundbarkeit auf, der man nicht schützend zuvorkommen kann. Unmittelbar nach Bekanntwerden hat der amerikanische Präsident G.W. BUSH seine Kondolenz ausgesprochen, Solidarität bekundet und Unterstützung gegen den Terror bekräftigt.

Die Argumentation hinsichtlich der Urheberschaft durch die ETA wurde mit den am Wochenende in Spanien stattfindenden Wahlen begründet. Doch man sollte bei einem Ereignis dieser Art die Motive hinterfragen und, so skurril es klingen mag, die Frage zulassen, wer von einem solchen Anschlag profitieren kann. Zweifelsohne ist die ETA durch ihren jahrzehntelangen Kampf um die Unabhängigkeit des Baskenlandes im Umgang mit Sprengstoff mehr als nur vertraut. Was jedoch vehement gegen ihre Beteiligung spricht, ist der Umstand, daß in dem von ihr angestrebten Kampf für ein freies Baskenland ein Rückhalt in gewissen Teilen der Bevölkerung gegeben sein muss. Ziel von Anschlägen der ETA waren bis dato vorwiegend Personen, die staatliche Institutionen repräsentierten, solche selbst oder Personen, die sich gegen die ETA öffentlich deklarierten. Warnungen unmittelbar vor ETA-Anschlägen und Bekennerschreiben sind auch übliche von ETA-Angehörigen praktizierte Vorgangsweisen. Ein derartiger Terroranschlag durch die ETA wäre einem politischen Selbstmord der Gruppe gleichzusetzen und aus rein analytischer Betrachtungsweise in Abrede zu stellen.


Bereits Stunden nach dem Anschlag in Madrid hat man ein Kraftfahrzeug gefunden, in dem sich mehrere Zünder und auch Videobänder befanden, die auf Grund ihres Inhaltes auf islamische Fundamentalisten rückschließen ließen. Mit Al QAIDA ist der zweite Sündenbock im Zusammenhang mit Osama bin LADEN rasch gefunden. Es ist schon bemerkenswert, daß seit dem 11. September 2001 jeglicher Anschlag pauschal ihm und der Al-QAIDA zugeordnet wird. Die Stärke des internationalen Terrorismus liegt seit der Zunahme der technologischen Entwicklung in dem autonomen Handeln unterschiedlichster Gruppierungen. Je weniger eine Gruppe von der anderen weiß, umso sicherer kann sie agieren, so weniger läuft sie auch Gefahr, verraten zu werden.

Worüber nicht viele Worte verloren werden, ist der Umstand, daß sich Spanien als engster Verbündeter der USA im Irak sieht und dort per Stand 11/2003 mit 1.300 Soldaten an der Besetzung „Befreiung“ des Landes beteiligt ist. Beispielsweise waren auch 3 spanische Helikopter Ende 2003 Ziel eines Angriffes im Irak.

Wenn jetzt unmittelbar vor den Wahlen ein derartiger Terroranschlag Spanien trifft, und dessen Führung deshalb vehementeres Vorgehen gegen die ETA begründet, dann kann dies unzweifelhaft die Unterstützung in der Bevölkerung finden. Weniger populär ist jedoch der Aspekt einer Urheberschaft, die sich innerhalb der islamischen Welt finden läßt, denn da wären wohl kaum zusätzliche Stimmen zu fangen, sondern ein Denkprozess käme ins Rollen, der die Rechtfertigung des eigenen Handelns im Irak in Frage stellen könnte. So tragisch der Terroranschlag auch ist, bleibt die Frage nach dem Eigenimport legitim.

051303


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