Worte können töten

In so sensiblen Zeiten, wie sie die Menschheit zur Zeit erlebt, ist eine Gewichtigkeit sehr grossen Ausmaßes von so manch unbedacht ausgesprochenem Wort gegeben. Ein alter Spruch besagt, daß Worte töten können. In einer der ersten Reaktionen auf die Terroranschläge in den USA hat der amerikanische Präsident G. W. BUSH von einem regelrechten Kreuzzug gesprochen, auf den sich die Vereinigten Staaten von Amerika begeben werden. Man vermutete unmittelbar nach den Anschlägen, dass Osama bin LADEN als weltweit bekannter Terrorist als führender Mitbeteiligter hinter diesen Terrorakten stecken könnte. Nur wenige Wochen vor dem 11. September tauchte sein Bild mit einer sogenannten „Terrorwarnung“ auf den Bildschirmen von TV- Sendern auf. Ergo dessen sind die Urheber dieser menschenverachtenden Anschläge vornehmlich im Dunstkreis von bin LADEN zu suchen und einer Glaubensgemeinschaft, der des Islams zuzuordnen.

Hier beginnt in Unwissenheit eines Großteiles der Bevölkerung eine Vermischung von Verbrechern und Religion. Selbst wenn Verbrecher einen Verrat an ihrer Religion begehen und sich als Legitimation ein heiliges Buch zu Nutze machen, darf es nicht sein, dass hunderte von Millionen von aufrechten Gläubigen mit ihnen in einen Topf geworfen werden. Als Zuseher der Ansprache von G. W. BUSH konnte man bei den Worten des Kreuzzuges nicht einmal annähernd begreifen, was damit losgetreten wurde. Dieses Wort sollte im Grunde nur eine Kraft, Energie und Entschlossenheit der amerikansichen Führung zeigen und niemand, außer eben Angehörige des Islam, hätten es anders verstanden. Dies hätte G. W. BUSH und seinen Beratern nicht passieren dürfen.


Die Kreuzzüge waren im Mittelalter nichts anderes als ein Glaubenskrieg der Christen gegen Nichtchristen und dem zu Folge auch gegen die Islamisten. Diese Kriege waren blutrünstig, grauenhaft und wurden im Namen der katholischen Kirche durchgeführt. In den Augen der Islamisten, die gleichen Augen, die Freunde, Bekannte und Verwandte bei den Terroranschlägen verloren, wurde zu einem Krieg gegen sie aufgerufen. Hier herrschte Unverständnis, Kopfschütteln aber auch Zorn unter den Angehörigen des Islam, wie sich bei Gesprächen mit Islamischen Gläubigen in Interviews zeigte. Zielgruppe schien es nun, waren alle Glaubensbrüder des Islam. Ihr Geschichtsbewußtsein dürfte im Bezug auf die Kreuzzüge bei weitem gegenwärtiger sein, als bei anderen Personengruppen.

Die ersten Repressalien gegen unschuldige Nichtbeteiligte in den USA aber auch in anderen Ländern der westlichen Welt waren und sind die Folge. Und so geschah es, dass ein aus Ägypten abstammender Amerikaner vor seinem Haus erschlagen wurde. Die Kluft zwischen den Glaubensgruppen wird somit größer, so wie auch das gegenseitige Unverständnis. Da half es dann auch nicht mehr so wirklich, als man sich für diese Ausdrucksweise entschuldigte. Seit Bekanntwerden und Zunahme der Repressalien gegenüber unschuldigen Islam-Angehörigen versucht man zu reparieren und so zeigt man sich ganz bewußt bei Moscheen und besucht ganz gezielt islamische Glaubensangehörige.

Faksimile des Artikels der Süddeutschen Zeitung aus sueddeutsche.deFaksimile aus sueddeutsche.deIn einem am 11. Oktober 2001 von der Süddeutschen Zeitung, deren Online-Ausgabe, veröffentlichten Artikel findet sich eine Headline mit dem Titel: „Mutmaßlicher Islamist festgenommen“. Inhaltlich handelt es sich um einen Mann, der Kontakte bzw. Verbindungen zu Osama bin LADEN haben soll und von der italienischen Justiz gesucht wird. Aber was beinhaltet die Aussage „Mutmasslicher Islamist„? Was hat die Möglichkeit, dass jemand dem Islam angehörig ist, als Überschrift da zu suchen? Es ist ein weiterer Schritt in Richtung guter Glauben – schlechter Glauben und dies scheint verantwortungslos zu sein. Es ist schwer zu sagen, vielleicht hat bin Laden mit der Glaubenskonfrontation gerechnet. Vielleicht ist es ein nicht deklariertes Ziel, mit der Unbedachtheit der Menschen kalkuliert und vielleicht auch gerechnet zu haben und so vielleicht in diese Richtung zu steuern. Was kann diesem Mann besseres passieren, als dass hunderte Millionen unschuldiger sehr gläubiger Menschen sich plötzlich zwischen zwei Seiten stehen sehen, wobei die eine Steine wirft und die andere sie mit offenen Armen aufnimmt.

Ein Moslem sagte während eines Interviews mit uns:

Es gibt zwei Formen des Dschihad: der kleine Dschihad, das ist der Krieg den man in der Welt draussen führt und der grosse Dschihad. Das ist der Krieg den man in sich mit sich selbst führt.

Nichts wäre wohl schlimmer, als wenn man die unschuldigen Gläubigen durch Unachtsamkeit, Unbedachtheit, Sorglosigkeit und Toleranzlosigkeit in ihren grossen Dschihad* nötigt, der für uns unsichtbar abläuft und für die Welt in einem großen Krieg, dem kleinen Dschihad, gipfeln kann. Diese Spaltung kann ein Ziel des Osama bin LADEN sein, wir sollten dem entgegensteuern und nicht Nahrung zuführen.

*diese Schreibweise wurde dem Buch „Fragen die unser modernes Zeitalter an den Islam stellt“ von M. Fethullah Gülen entnommen. Auch die Schreibweise „Djihad“ findet sich in der Literatur.

021110


Schreibe einen Kommentar