Kabinettstück um die Zollwache in Österreich

Anhand eines Fußballspieles, das als „Abschiedsspiel“ deklariert und zwischen der Zollwache und der Gendarmerie  vom Grenzübergang Berg – Österreich zur Slowakei am 23. April 04 in der kleinen Gemeinde Bad Deutsch Altenburg ausgetragen wurde, zeigen wir einen Sachverhalt auf, der die Auflösung der Zollwache mit EU-Erweiterung per 1.5.2004 betrifft.

Bereits im Jahre 2000 gab es Gerüchte über die Auflösung der Zollwache in Österreich. Aus diesem Grunde hat sich damals das Offizierskorps, die Einrichtung, die bereits seit 1830 besteht und als uniformierter und bewaffneter Wachkörper klassifiziert ist, schriftlich an den Finanzminister Karl-Heinz GRASSER gewandt. GRASSER war zu diesem Zeitpunkt noch FPÖ Parteimitglied und gehörte dem Regierungskabinett ÖVPFPÖ an.

In seinem Antwortschreiben vom 16. Juni 2000 teilt Grasser  wie folgt mit:

Brief an die Beamten der Zollwache von Minister GRASSERBereits in den ersten Monaten als Finanzminister konnte ich mich von den Leistungen und dem Engagement der Bediensteten der Zollwache überzeugen. Auch Ihre Bereitschaft, sich künftigen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, engagiert und motiviert zu stellen, ist ein erfreuliches Signal, das ich anerkennend zur Kenntnis nehme.Wie ich wiederholt Gelegenheit hatte zu versichern, besteht keine Veranlassung, die Zollwache in das Innenressort zu verlagern, vielmehr halte ich es aufgrund der auf Österreich zukommenden Veränderungen mit dem Beitritt der osteuropäischen Länder zur Europäischen Union für geboten, sie auch vermehrt in die Bekämpfung des allgemeinen Steuerbetruges unterstützend einzubinden und die Zollwache zu einer Zoll- und Finanzwache weiter zu entwickeln.

Dr. Alfred Finz an die ZollbeamtenIm Jahr 2002 kam es nach FPÖ-Interna zu der Causa Knittelfeld und in Folge zum Rücktritt einiger hochrangigen FPÖ-Funktionäre, wobei zwei von ihnen auch Regierungsfunktionen innehatten, darunter auch der FPÖ-Finanzminister GRASSER. Die Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ brach innerhalb kürzester Zeit, Neuwahlen wurden für den 24. November festgelegt. Noch in der 47. Kalenderwoche richtete Dr. Alfred FINZ (ÖVP) auf seinem Briefpapier als Staatssekretär für Finanzen an die Angehörigen der Zollwache ein Schreiben, in dem er diese als Kolleginnen und Kollegen ansprach:

Einleitend möchte ich feststellen, dass die Österreichische Volkspartei Garant dafür ist, dass das mit den zuständigen Gremien verhandelte Strukturkonzept im Bereich der Zoll- und Finanzwache bei einer ÖVP-Regierunsgbeteiligung zu 100 Prozent umgesetzt wird. Eine moderne Zoll- und Finanzwache ist neben der Steuer- und der Zollverwaltung eine der drei wichtigen Säulen im Bundesministerium für Finanzen und sie ist daher als eigenständiger Wachkörper unverzichtbar. Eine Verlagerung dieses modernen und effizienten Instruments in ein anderes Ressort ist weder beabsichtigt noch Bestandteil eines Programmes der ÖVP.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Zollwache!

Wie immer Ihre Entscheidung am kommenden Sonntag aussieht, ich werde immer, wie schon in der Vergangenheit bewiesen, für die berechtigten Interessen der Zoll- und Finanzwache im Bundesministerium für Finanzen eintreten.

Nach den Nationalratswahlen fragte sich dann so mancher mündige Bürger, wozu diese überhaupt stattgefunden hatten, da sich an der Regierungszusammensetzung nichts änderte. Die ÖVP ging wieder mit der FPÖ eine Koalitionsregierung ein, und nachdem der vorherige Finanzminister GRASSER nun der FPÖ den Rücken gekehrt hatte, wurde er als Parteiunabhängiger durch die ÖVP wieder als Finanzminister in die Regierung berufen. GRASSERs Beliebtheit bei zahlreichen Wähler/innen war, wenn man deren Aussagen verfolgte, doch tatsächlich auch auf sein Erscheinungsbild zurückzuführen. In der Selbstdarstellung erfahren und versehen mit kostspieligen Businessberatern, fand er Anklang und wurde manchen Ortes als Yuppie der Nation bezeichnet. Jung und fesch zählte offensichtlich bei Vielen.

abgeschossen

abgeschossen

aufgefangen

aufgefangen

Aber dann wurde doch der Ball mit der Auflösung der Zollwache abgeschossen und auch aufgefangen und findet sich im Ressortübereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Finanzen, dem Bundesministerium für Inneres sowie dem Bundeskanzleramt wieder. Den Beamten der Zollwache steht optional der Wechsel zur Exekutive oder in die Finanzverwaltung zur Auswahl.

In diesem Schriftstück wird unter anderem festgehalten:

Faksimile des Übereinkommens

Faksimile des Übereinkommens

→ Der im Bundesministerium für Finanzen verbleibende Teil der Zollwache wird mit 1. Mai 2004 in die allgemeine Verwaltung eingegliedert. Ab diesem Zeitpunkt gibt es im Bundesministerium für Finanzen keinen Wachkörper im Sinne Art. 78d B-VG.

Doch nicht nur die Auflösung der Zollwache war fixiert worden, sondern auch ein Punkt war festgehalten worden, der bereits mit Festlegung und Niederschrift gar nicht stimmen konnte:

Faksimile des ÜbereinkommensFaksimile des Übereinkommens

→ In der besoldungsrechtlichen Stellung der betroffenen Bediensteten soll grundsätzlich keine Schlechterstellung eintreten, soweit der neue Tätigkeitsbereich mit der bisherigen Verwendung vergleichbar ist. Die entsprechende legistische Umsetzung seitens des zuständigen Ressorts wird angestrebt.

In dem Schritstück an die Beamten der Zollwache über die Umsetzung wird von Finanzminister GRASSER und Staatssekretär FINZ wird ebenso festgehalten:

Faksimile

→ Die ca. 1.000 im BMF verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zwar nicht als Wachkörper weitergeführt, es wird jedoch gewährleistet, dass es zu keinen besoldungsrechtlichen Schlechterstellungen kommt, soweit der neue Tätigkeitsbereich mit der bisherigen Verwendung vergleichbar ist. Die entsprechenden Begleitmaßnahmen sollen noch vor dem Sommer realisiert werden.

In Anbetracht der gesamten Vorgänge dürfte dieser Punkt wohl nur der allgemeinen Gewissensberuhigung der Betroffenen gedient haben. Dazu ein Beispiel:

Geht man davon aus, daß ein Beamter der Zollwache die Option des Wechsels zur Exekutive gewählt hat, dann hat wie in einem konkreten Fall bei einem dienstführenden Beamten die Dienststelle der Exekutive ihre voll besetzten Planstellen. Diese sind besetzt durch deren eigene Angehörige. Daß ein zusätzlicher gleichwertiger Posten geschaffen wird, ist nicht gegeben. Somit muß von vorhinein klar gewesen sein, daß einzelne Angehörige der Zollwache gar nicht in eine Funktionseigenschaft, die ihrem Status entsprechen, gelangen können. De Facto hat man dann folgende Regelungen getroffen: Sie erhalten für den Zeitraum von 3 Jahren ihre vollen Funktionsgruppenzulagen, die denjenigen entsprechen, die sie zum Zeitpunkt des Wechsels erhielten. Für die folgenden 3 Jahre bekommen sie in jährlicher Abstufung nur noch 90, 75 und 50 % ihrer letzten Funktionsgruppenzulage und sofern nach den abgelaufenen 6 Jahren keine Position eingenommen wurde, die ihrer Verwendungsgruppe bei der Zollwache entspricht, fallen sie um diese Einnahmequelle gänzlich um. Also keine Funktionsgruppenzulage. Abgesehen von den finanziellen Einbußen wird auch eine Degradierung einiger der höheren Dienstränge eine Folgeerscheinung sein. Um die finanziellen Einbußen in Ziffern zu nennen: Es geht hier um Beträge bis zu 170.- Euro pro Monat.

Zaungäste

Zaungäste in der Öffentlichkeit hat dieses Thema nicht sehr viele, wie auch das Fußballspiel, obwohl knapp über 1000 Zollbeamte davon betroffen sind.

Was jedoch den Passus im zuvor genannten Schriftsatz des Ressortübereinkommens über das Zollrechts-Durchführungsgesetz betrifft, das bis spätestens 1. Mai 2004 entsprechend geändert werden sollte und von einer beauftragten Arbeitsgruppe behandelt wurde, zeigt es einen Umstand, der für Österreich typisch erscheint.

Faksimile aus dem Übereinkommen

→ Spätestens bis zum 1. Mai 2004 werden die entsprechenden Bestimmungen des ZollR-DG betreffend die Zollwache angepasst.

→ Mit sofortiger Wirkung wird eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des BMI und BMF eingerichtet, die die Grundlagen für eine geordnete Überführung der Zollwachebediensteten samt Übertragung von technischen, baulichen oder sonstigen Ausstattungen einvernehmlich bis zum 30. Juni 2003 erarbeitet.

Daß hier GRASSER  als verantwortlicher Ressortchef nicht seiner Verpflichtung nachgekommen ist, zeigt der Umstand, daß beispielsweise Angehörige der Zollwache am Flughafen Wien-Schwechat keine andere Anweisung vorliegen hatten, als den Dienst am 1. Mai 2004 in Uniform anzutreten – zu einem Zeitpunkt, an dem die Zollwache Österreichs bereits offiziell per Gesetz als aufgelöst gilt. Und dies, obwohl deren Angehörige entweder der Finanzverwaltung oder dem Innenministerium (Gendarmerie oder Polizei) zugehörig sind.

amtshandelnde "Zollwache" am 1.5.2004 am Flughafen Wien Schwechat

amtshandelnde "Zollwache" am 1.5.2004 am Flughafen Wien Schwechat

Der umstrittene Aufnäher des FinanzministeriumsBrief an die Beamten der ZollwacheTatsächlich versehen die Zollwache-Beamte, die nicht mehr existieren, dort seit 1.5.2004 ihren Dienst. Uns wurde ein Stoffabzeichen vorgelegt, das unmittelbar zuvor ausgegeben wurde. Nachdem dieses Abzeichen, der mit Korpsabzeichen, Diensträngen, Waffen und Uniformen der Zollwache tragenden Personen, die es u.a. auch erst bei Dienstantritt ausgehändigt bekamen, nicht getragen wurde/werden konnte, dürfte auch ein für solche Fälle üblicher Weg eingeschlagen worden sein: Statt dessen, das die Ressortchefs, sprich Bundesminister Grasser für die Finanz und Bundesminister Strasser für das Innenressort die Angelegenheit ordentlich, zeitgerecht in neue Strukturen gelenkt hätten, wird der dortigen Beamtenschaft am 1.5.2004 um 08.44 Uhr mit einer Disziplinaranzeige durch den stellvertretenden Zoll-Amtsvorsteher gedroht. Zusätzlich wurde das Tragen dieses Abzeichens mit Schreiben (GZ. O-1000/27-IV/21/04) unter der Titulierung: „Vorübergehende Dienstuniform der Zollverwaltung“ und „Vorübergehende Vorschrift über das Tragen einer Dienstuniform im Bereich der Zollverwaltung“, des doch in Punkt Zuständigkeit fragwürdigen Bundesministerium für Finanzen, festgelegt.

Zollwachebeamte im Dienst am 1.5.2004 am Ariport Wien-Schwechat

Zollwachebeamte im Dienst am 1.5.2004 am Ariport Wien-Schwechat

Zollwachebeamte im Dienst am 1.5.2004 am Ariport Wien-Schwechat

Die betroffenen Beamten berufen sich bezüglich der Weisung der Entfernung des Emblems der Zollwache durch das Finanzministerium auf die Übertragung der Agenden der Zollwache per 1.5.2004 an das Bundesministerium für Inneres. Von deren Seite keine Anweisungen, Verordnungen oder Erlässe, die Uniform betreffend, vorliegen und erklären schriftlich ihre Bedenken, da sie diese Weisung als rechtswidrig klassifizieren.

Faksimile der schriftlichen Stellungnahme der "Zollwache-Beamten" vom 1.5.2004 zu der Aufforderung zur Entfernung des Zollwache-Emblems und Androhung der Disziplinaranzeige

Faksimile der schriftlichen Stellungnahme der "Zollwache-Beamten" vom 1.5.2004 zu der Aufforderung zur Entfernung des Zollwache-Emblems und Androhung der Disziplinaranzeige

Mit heutigem Tag haben Sie mir die Weisung erteilt, von meiner Uniform das Emblem der Zollwache zu entfernen.

Nach den Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes 2003 gehen die Angelegenheiten der Zollwache mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2004 auf das Bundesministerium für Inneres über. Da mir nicht bekannt ist, in welcher Form die Diensthoheit seitens des BMI auf Organe des BMF übertragen wurde, ich aber nach wie vor Bediensteter der Zollwache bin, halte ich die Erteilung einer Weisung, die sich nicht auf die Fachaufsicht, sondern vielmehr auf die Dienstaufsicht bezieht, für rechtswidrig.

Darüber hinaus kann eine Entfernung allfälliger Distinktionen/Abzeichen der Zollwache auch als Verwendungsänderung verstanden werden, die aber als qualifizierte Verwendungsänderung mit Bescheid zu verfügen wäre. Auch aus diesem Grunde halte ich obige Weisung für rechtswidrig.

Wieder einmal soll das unterste Glied in der Kette die Inkompetenz des obersten Gliedes ausbaden und der ganze Sachverhalt auf ein Stoffabzeichen reduziert werden. Dabei hatten die Angehörigen bereits vor einiger Zeit ihre Zukunft durch Wechsel zum Exekutivdienst (Polizei und Gendarmerie) entschieden, und es gab auch bereits eine Liste des Innenministeriums, in der die jeweils neuen Dienststellen angeführt waren. Doch plötzlich wurde, wohlgemerkt nur für die Zollwachebeamten der Flughäfen, ein Sonderstatus geschaffen, der die Rechtsstaatlichkeit dieses Vorgehens mehr als fragwürdig erscheinen lässt, indem das Finanzministerium nämlich doch eine „Zollwache“ benötigt. Verstehen Sie jetzt den Begriff des „Kabinettstückerls“?

Es muß schon ein eigenartiges Gefühl für einen Menschen sein, etwas zu deklarieren und darzustellen, was es dem Gesetz nach gar nicht mehr gibt – von der juristischen Warte im Falle eines auftretenden Ereignisses und dessen etwaigen Folgen gar nicht erst zu sprechen. Denn „Zollwache“ dürfen sich die Beamten ab 1.5.2004, 00:00 Uhr nicht mehr nennen – das Korps ist aufgelöst – eine Tradition ist Geschichte und Erinnerungen sind das, was bleiben wird, denn so rosig sieht die Zukunft für diese Menschen nicht gerade aus.

Greko Berg gegen Zoll Berg

Der Ball ist ins Tor gegangen, applaudiert wird im Hintergrund, die Gendarmerie Berg hat die Zollwache Berg 5:2 geschlagen. Doch das große Spiel haben beide Gruppen verloren – warum, werden Sie sich jetzt fragen – weil auch die Gendarmeriebeamten eine Lebensplanung haben und das System nur bestimmte Möglichkeiten einräumt. Planstellen müssen nunmehr mit den Neuzugängen geteilt werden. Die Kollegen der Zollwache sind Opfer der Politik geworden und deshalb herzlich willkommen. Ob sich diese auch als „Kollegen“ des Staatssekretärs FINZ gesehen haben, so, wie er sie in seinem Schreiben titulierte? … im Fachjargon nennt man sie bestenfalls „Mitarbeiter“.

ehemalige Zollwache - Grenzkontrollstelle Hainburg an der Donau in Hainburg, NÖ

ehemalige Zollwache - Grenzkontrollstelle Hainburg an der Donau in Hainburg, NÖ

Zollwachebeamter am Dienstweg

Zollwachebeamter am Dienstweg


Jetzt nur noch Geschichte – oder?

050205


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