Die Verweigerung der Bundespräsidentenwahl 2004

Wahlwerbung Dr. Heinz FischerDie Entscheidung für das Staatsoberhaupt in Österreich ist am Sonntag, den 25. April gefallen. Es standen sich die österreichische Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner von der Österreichischen Volkspartei und der 2. Nationalratspräsident Dr. Heinz Fischer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs für das höchste Amt im Staat als Kontrahenten gegenüber. Nach dem vorläufigen Endergebnis der obersten Wahlbehörde im Bundesministerium für Inneres, hat Dr. Fischer 52,41 % der gültigen abgegebenen Stimmen für sich erzielen können und übernimmt somit im Juli die Präsidentschaft.

Mit einer Wahlbeteiligung von 70,76 % brachte diese Wahl, trotz triumphaler Feierlichkeiten doch ein erschütterndes Fakt zum Ausdruck, daß lieber nicht so wirklich thematisiert werden will. Etwa 1.763.428 Menschen haben sich dieser Abstimmung enthalten. Fast 30 % (29,24 % ) aller Wahlberechtigten haben das wohl deutlichste Votum abgegeben und somit einem Wahlkampf eine Absage erteilt, in dem nicht nur kein parteiunabhängiger Kandidat zur Auswahl stand, sondern auch die Parteivertreter, in Form der Kandidaten, keine Gelegenheit ausließen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie für dieses Amt befähigen sollten, in der Öffentlichkeit lauthals immer und immer wieder zu betonen. Ein Wahlkampf, der in anderer Form geführt wurde, als er bis dato in Österreich vonstatten gegangen ist. Eine neue Qualität und Machart hat sich eingestellt, wobei die im Fernsehstudio live ausgetragene Konfrontation gar nicht gemeint ist, sondern die von den Kontrahenten verbalisierten Inhalte. Da verlautbarten die zur Wahl stehenden sich für die Wirtschaft, sozial schwache Personen, Pensionen und das Gesundheitssystem künftig als Präsident/in einsetzen zu wollen. Zeitweilig schien es gar so, als wenn es um einen neuen Regierungschef ginge oder zwischenzeitlich die Verfassung geändert worden wäre. Denn primär hat laut der Österreichischen Bundesverfassung der Bundespräsident die Vertretung der Republik nach Außen in seinem Aufgabenbereich und ist Schirmherr des Österreichischen Bundesheeres.

Im Jänner 2004 wurde ein eigenes Schiedsgericht gebildet, das zur Beobachtung und Bewertung der Wahlauseinandersetzung dienlich sein sollte. Mit der Begründung:

Auf Grund der besonderen Bedeutung des Amtes des österreichischen Bundespräsidenten wurde ein sogenanntes Fairnessabkommen abgeschlossen, das die Kosten der Wahlwerbung begrenzt, die Zeit der Wahlkampagne limitiert sowie Bestimmungen über die gebotene Fairness enthält.

Zitat der Presseaussendung der ÖVP Bundespartei vom 23.1.2004. Das durfte dann in Folge auch tätig werden, wenn einer dem anderen Slogan-Klau unterstellte.


Ausgerechnet „Politik braucht ein Gewissen“ wurde dann unter anderen zu einem Inhalt, mit dem sich das Gremium auseinander zu setzen hatte. Jetzt stellt sich doch in gewisser Weise die legitime Frage, wenn sich beide Kandidaten mit dem Gewissen und der Politik so intensiv auseinandersetzen, warum sie dann selbst ein Schiedsgericht und ein Fairnessabkommen benötigen? Sie selbst brauchen ein Gremium und wollen selbst zum Wächter avancieren?

Wahlwerbung Dr. Benita Ferrero-WaldnerBei einem TV-Interview im Österreichischen Rundfunk kam es dann zu der an FERRERO-WALDNER gerichteten Frage, ob sie in ihrem Leben schon einmal gelogen hätte. Die Präsidentschaftskandidatin verneinte dies, sie gab an, noch nie im Leben gelogen zu haben. Vielleicht kann man über die Legitimität der Fragestellung diskutieren, doch ihre Antwort kostete sie de facto Wählerstimmen.

Was manche Politiker auf sich zu nehmen bereit sind, um auf Wählerfang zu gehen, zeigte sich auch ausgerechnet am Bundesland Kärnten, wo Jörg HAIDER als unlängst gewählter Landeshauptmann bei Wahlveranstaltungen an der Seite von FERRERO-WALDNER auftrat. Da wurden sich die verbalen Bälle gegenseitig zugespielt, wenn es um die Frage nach politischer Ausgrenzung, indirekt die FPÖ gemeint, ging. Kopfschütteln verursachte dies bei den Einen und positive Stimmabgabe bei den FPÖ-Anhängern, weil doch von Ausgrenzung keine Rede sein kann.

Die Wahlbeteiligungen bei der Bundespräsidentenwahl

1986 lag bei 89,48 %,
1992 bei 80,91 % und
1998 bei 74,4 %;

und 2004 wurde verweigert, verweigert in Ermangelung eines unabhängigen Kandidaten, verweigert, weil keine Inhalte dargelegt wurden, verweigert, weil ein Kniefall vor der FPÖ erfolgte, um Stimmen zu gewinnen, und weil Menschen sich die Frage stellten, was für ein Mensch an die Spitze eines Staates gestellt werden will, der nichts wichtigeres zu betonen hat als seine eigene Qualifikation dafür.

Da bleibt nur noch als Randbemerkung zu erwähnen, daß im Bundesland Tirol Wahlpflicht* bei der Bundespräsidentenwahl herrscht, Menschen werden also gesetzlich gezwungen, von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen – es lebe die Demokratie!

Update: * Nach Veröffentlichung dieses Artikels wurde die Wahlpflicht in Tirol abgeschafft (Landesgesetzblatt Nr. 61/2004).

2004-04-27


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