BoD kündigt fristlos Vertrag von Buch gegen Rechtsradikalismus

Book on DemandAm Freitag, den 23.1.2004 bemerkte der Autor Walter Egon GLÖCKEL durch Zufall, daß das Buch über verdeckte Ermittlungen in der rechtsradikalen Szene mit dem Titel „Wer will die Wende?„, Untertitel „Deckname: Karl Dangl, Codename: Oscar“ im Online-Portal der zu BoD gehörenden Unternehmung Libri.de als „nicht mehr lieferbar“ gekennzeichnet war. (ISBN 3-8311-4623-3) Sowohl der Buchhändler als auch Book on Demand wurden sofort schriftlich um Auskunft gebeten, worin die Begründung für diese Kennzeichnung bestand. Bereits noch im Tagesverlauf wie auch am Samstag, konnte die Feststellung gemacht werden, daß der Titel bei weiteren Buchhändlern ebenso als nicht mehr lieferbar deklariert wurde und ab Sonntag die gänzliche Löschung erfolgte.

Die eingetroffene NachrichtIm ersten Augenblick wähnte der Autor, daß dieser Vorgang mit einer bedenklichen e-Mail im Zusammenhang stünde, die am 4.1.2004 bei ihm eingelangt ist. Darin schrieb ein anonymer Absender, mit dem Betreff: „why me?“, daß GLÖCKEL  im Internet erklärt hatte, daß er, der Absender ein Terrorist  sei und – Zitat:

No way out for you. I REPORT YOU !

Nach ersten eigenen Recherchen wurde diese Nachricht dann am 12.1. nach vorangegangenem Telephonat dem deutschen Verfassungsschutz übermittelt.

Am Sonntag, den 25.1.2004 forderte der mit dem Schwerpunkt der investigativen Recherche tätige Journalist in einem weiteren Schreiben an die Geschäftsleitung von BoD unverzüglich Auskunft zu der Löschung, die zu diesem Zeitpunkt bereits den überwiegenden Teil des Buchhandels betraf. Dazu sei angemerkt, daß die Auszeichnung des nicht mehr lieferbaren Titels seitens des Buchhändlers LIBRI automatisch den gesamten Buchhandel betrifft, da die Firma LIBRI parallel als Großhändler der Buchbranche tätig ist und nur über diese die von BoD für ihre Kunden produzierten Bücher an den Handel ausliefert.

Am Montag, den 26.1.2004, nahm der Autor in der Früh telephonisch Kontakt zu Libri.de auf, um eine Begründung für die Löschung des Titels zu erhalten. Der Portalbetreiber ersuchte jedoch mit der LIBRI-Zentrale in Hamburg in Kontakt zu treten. Dort wurde auf das zum Konzern gehörende Unternehmen Book on Demand verwiesen. Die Mitarbeiter von Book on Demand hielten sich bedeckt und verwiesen auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, Herrn Dr. Pascal ZIMMER, der am Freitag den zu dieser Publikation gehörenden Vertrag fristlos gekündigt hat. Nur der Hinweis, daß die hauseigenen Juristen bei BoD nachfragten und in Folge die Kündigung durch BoD wegen der Abbildung des Hakenkreuzes empfahlen, war herauszubekommen. In dem im Anschluß geführten Telephonat mit Dr. Pascal ZIMMER brachte GLÖCKEL  seine Fassungslosigkeit über die Vorgangsweise und die fristlose Kündigung des Vertrages zum Ausdruck und betonte, daß BoD das Buch bereits seit 14 Monaten, seit dessen 1. Drucklegung im Dezember 2002 verkaufe. Die seltsam erscheinende Vorgangsweise, nicht zum Telephon zu greifen und direkt mit dem Autor in Kontakt zu treten, ergibt ein eigenes Bild.

Im Hinblick auf die der fristlosen Kündigung zu Grunde liegenden Abbildung der Reichsfahne auf dem Buchcover hat GLÖCKEL bereits wegen damals angemeldeter Bedenken seitens BoD die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen dargelegt und mitgeteilt, daß dies seinerseits rechtlich überprüft wurde. Sinngemäß bringen unterschiedliche Gesetzte der deutschsprachigen Länder zum Ausdruck, daß die Abbildung der Symbole der nationalsozialistischen Zeit unter anderem dann zulässig sind, wenn sich der Inhalt der Publikation eindeutig gegen dieses Gedankengut richtet. So ist diese gesetzliche Bestimmung im § 86 Abs. 3 des deutschen Strafgesetzbuches verankert. Originalgesetzestext:

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

Wer will die Wende?Das Schreiben von Book on Demand„Wer will die Wende?“ ist eine Dokumentation über die verdeckten Ermittlungen, die GLÖCKEL als damaliger Polizeibeamter der Bundespolizeidirektion Wien im Auftrag des Bundesministerium für Inneres, dessen damaligen Leiter Dr. Oswald KESSLER länderübergreifend in Österreich und Deutschland durchführte. Es stellt ohne Zweifel eine Publikation dar, die unter die oben angeführte Ausnahmeregelung fällt.

Auf die Frage, wie es zu dieser plötzlichen Maßnahme überhaupt kam, teilte Dr. ZIMMER mit:

Wir haben einen internen Hinweis bekommen, daß dort ein Hakenkreuz abgebildet ist … wenn wir einen Hinweis eines Hausjuristen, eines, oder eines internen Hausjuristen bekommen

worauf GLÖCKEL ins Wort fiel und nochmals hinterfragte:

Wie kam es überhaupt zu dem Hinweis auf einmal?

worauf Zimmer mitteilte:

Er hat zufällig das Buch gesehen, ganz wirklich durch Zufall und hat uns darauf hingewiesen, daß dies nicht rechtens sei … .

ZIMMER bot GLÖCKEL an, selbst mit dem Juristen Kontakt aufzunehmen.

Nach Erhalt der Fax-Kopien des Schriftverkehrs zwischen BoD und der Anwaltskanzlei sowie des an GLÖCKEL gerichteten Briefes war dann zu lesen – Textauszug des Schreibens von der Kanzlei BRÖDERMANN & JAHN an BoD am 23.1.:

Rechtsanwalt Brödermann - der eingetroffene BriefRechtsanwalt Brödermann - der eingetroffene Brief - Seite 2Nach unserer Einschätzung darf das Buchcover in der derzeit beabsichtigten Aufmachung mit dem Hakenkreuz in der Mitte nicht veröffentlicht werden. Nicht nur der Autor, sondern auch BoD als Verlag würde sich andernfalls strafbar machen.

Das Hakenkreuz ist ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation im Sinne der §§ 86a Abs. 1 Nr. 1 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Das Verbreiten, Verwenden, Herstellen oder Vorrätighalten verfassungswidriger Kennzeichen ist ein Straftatbestand mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft Freiheitsstrafe.

Bei Verwenden eines solchen Kennzeichens wie dem Hakenkreuz auf einem Buchcover macht sich nicht nur der Autor, sondern auch der Verleger des Buches strafbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Werk selbst national sozialistischen Charakters ist oder nicht. Nur die Verwendung des Hakenkreuzes in offensichtlicher; sofort erkennbarer satirischer oder ablehnender Darstellung fällt unter den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG. Dies ist bei dem vorliegenden Buchcover nicht der Fall. Das Cover selbst lässt nicht erkennen, welchen Charakter dessen Inhalt hat.
Wir raten angesichts des drohenden Straftatbestandes dringend davon ab, ein Buchcover zu drucken, auf dem das Hakenkreuz zu sehen ist.

In dem Telephonat mit der Kanzlei BRÖDERMANN & JAHN, dem zuständigen Rechtsanwalt, Dr. Philip von DIETZE, erklärte GLÖCKEL nochmals seinen Rechststandpunkt und wies auf die einschlägigen gesetzlichen Ausnahmebestimmungen hin. Der Autor erwartet zu diesem Zeitpunkt bereits aus Deutschland die entsprechenden Originaltextauszüge des Gesetzes und teilt dies dem Hausjuristen mit. Dieser jedoch spricht davon, diese Bestimmungen nicht zu kennen. GLÖCKEL  erklärt, daß genau diese Bestimmung seiner Erinnerung nach nicht im deutschen Grundgesetz, sondern in einem anderen Gesetz verankert ist. Von DIETZE bittet den Journalisten, die Unterlagen sofort nach Erhalt an ihn zu übermitteln. Auf die Nachfrage, wie die Kanzlei auf dieses Buch überhaupt gekommen wäre, gibt der Rechtsanwalt an, „eine interne Information erhalten zu haben„.

In der Argumentation von GLÖCKEL fand sich auch der Hinweis auf die entsprechenden Pressemeldungen, die in unterschiedlichen Printmedien publiziert wurden, sowie der Umstand der Information an die staatlichen Sicherheitseinrichtungen über das Erscheinen des Buches. Würde die Darstellung gegen geltendes Recht verstoßen, so hätten die Sicherheitsbehörden wohl aus eigenem Antrieb im Sinne des Offizialdeliktes längstens ein Verfahren eingeleitet.

BoD und LIBRI haben während der gesamten zurückliegenden 14 Monate; also seitdem das Buch über verdeckte Ermittlungen in der rechtsradikalen Szene in den Handel kam, schon mehrfach Anlaß zu Beschwerden seitens des Autors gegeben – Beispiele:

1) Das Buch lag im Jänner 2003 bei einem schweizer Buchhändler RÖSSLITOR Bücher unter dem dem Autor vollkommen unbekannten Verlag „Grammata B.“ auf;

2) Mehrfach wurde das Buch mit einem falschen und derart hohen Verkaufspreis in unterschiedlichen Buchkatalogen des Fachhandels trotz Buchpreisbindungsgesetz ausgepreist, die einen Verkauf so gut wie unmöglich gemacht haben. Der festgelegte Handelspreis beträgt 28,90 Euro, doch das zu BoD gehörende Unternehmen LIBRI hat im Frühjahr 41,90 Euro als Kaufpreis ausgewiesen. Mehrmals konnte der Autor diese stark überzogenen Preisfeststellungen machen und hat nur zufällig durch eigenen Besuch der Online-Portale der Buchhändler davon Kenntnis erlangt. Beim Anbieter amazon.de blieben trotz mehrfacher Reklamation bei BoD über einen längeren Zeitraum die Preise unberichtigt, so daß sich GLÖCKEL veranlasst sah, Mitte April 2003 BoD aufzufordern, die Lieferung an dieses Unternehmen einzustellen, dem BoD jedoch nicht nachkam.

3) Der Höhepunkt wurde jedoch in der Feststellung am 22.10.2003, also 11 Monate, nachdem der „Wende“-Titel in den Verkauf gelangte erreicht: Der Titel war in allen Katalogen der Buchhändler unter dem Schlagwort MEDIZIN eingetragen, was thematisch vollkommen falsch war und auch nicht der vom Autor vorgegebenen Rubrik entsprach. In der Praxis bedeutete dies, daß ein Interessent für eine Publikation über die rechte Szene gar nicht erst zu dem „Wende“-Titel gelangt wäre. Angesichts dieser punktuell nachweisbaren Aspekte scheint es nicht verwunderlich, daß seit Veröffentlichung nur eine ganz geringe Anzahl an Büchern einen Abnehmer fanden.

Die e-Mail an Walter Egon GlöckelAm 27.1.2004 kam von BoD hinsichtlich der von GLÖCKEL geforderten Stellungnahme wegen der eigentümlichen Vorgangsweise, insbesondere der fristlosen Kündigung des Vertrages ohne vorherige Benachrichtigung des Autors, des weiteren unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Buch bereits 14 Monate im Handel war und wegen vorgelegter gesetzlicher Ausnahmeregelung folgende Antwort – Textauszug:

Ihrer Bitte nach Stellungnahme kommen wir gerne nach.

Wir haben den Autorenvertrag mit Ihnen aus wichtigem Grund fristlos gekündigt. Die Rechtfertigung dieser Kündigung findet sich darin, dass durch die Gestaltung Ihres Buchcovers Mitarbeiter unseres Verlages dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sind. Das ist das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung Ihres Buchcovers durch unsere Anwälte.

Und endet:

Wir sehen uns deshalb leider außer Standes, den Ergänzungsvertrag für den Titel: „Wer will die Wende“ mit Ihnen fortzusetzen.

Viele Fragen sind gegenwärtig offen, die mit dieser fristlosen Vertragskündigung im Zusammenhang stehen. Die Besonderheit liegt auch in den widersprüchlichen Aussagen, daß einerseits Dr. ZIMMER von BoD erklärt, der Anwalt hätte das Buch zufällig, „ganz wirklich durch Zufall“ gesehen und andererseits die des Rechtsanwaltes von DIETZE, der angab eine interne Information erhalten zu haben. Dies alles bei einem Verkauf von etwa 30 Exemplaren seit Dezember 2002 wobei im gesamten vierten Quartal 2003 nur ein einziges Exemplar über den Ladentisch ging.

Der Autor wird den Fall jetzt der Rechtsabteilung seiner Berufsvertretung übergeben und ist gegenwärtig bereits tätig um das Buch so rasch wie möglich wieder verfügbar zu machen.

UPDATE: Die schweizer Journalistengewerkschaft CoMedia übernahm die Rechtsvertretung nicht, da die Rechtsschutzversicherung angeblich solche Vorgänge nicht abdeckt.

Link: „Wer will die Wende?

2004-01-29

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