Falschmeldung = nicht gleich Gegenpropaganda

Tausende User, darunter auch unsere Redaktion, erhielt in den letzten Tagen eine E-Mail mit dem Titel: „Die traurige Wahrheit„. Nicht unschwer ließ sich erkennen, daß es sich um eine Massen-e-Mail handelt. Der Absender, irgendein Bekannter, meinte es gut damit, diese Nachricht, wie eine der unzähligen, unnötigen Viruswarnungen, an die in seinem Adressbuch eingetragenen Kontakte sofort weiterzusenden. Inhalt dieses ganz wichtigen E-Mails war folgender Originaltext:

CNN hat palästinenser in den nachrichten gezeigt, die nach dem terrorakt in amerika auf den strassen gefeiert haben. nun stellt sich aber heraus, dass das filmmaterial aus dem jahre 1991 ist. dies sind bilder feiernder palästinenser nach der invasion der amerikaner in kuwait. ein lehrer aus brasilien hat videoaufnahmen, welche exakt die gleichen bilder zeigen. ich bitte euch inbruenstig allen leuten die ihr kennt dieses mail weiterzuleiten, damit die welt erfahren kann, wieviel dreck hinter den medien versteckt ist.

Faksimile aus der Falschmeldung über CNN-Berichterstattung

Faksimile aus der Falschmeldung über CNN-Berichterstattung

CNNTatsächlich haben viele Fernsehzuseher, die die Berichterstattung um die Terroranschläge in den USA am Bildschirm verfolgten, auch diesen Beitrag, der von einem Team der Agentur Reuters gedreht und via CNN und n-tv ausgestrahlt wurde, gesehen. „Welch Empörung über diese vermeintliche Medienmanipulation durch CNN“, raunte es in vielen Köpfen. Es wäre ja nicht das erste Mal, daß Medien gezielt Falschmeldungen zu Propagandazwecken einsetzten.

n-TV & CNNDen Inhalt dieser Nachricht auf dessen Wahrheitsgehalt überprüfend, nahm unsere Redaktion mit der Pressestelle von n-tv (Partnersender von CNN) Kontakt auf. Thomas SCHULZ, Leiter der Unternehmenskommunikation, teilte uns in dem Gespräch mit, daß es bereits mehrfach Anfragen wegen der besagten e-Mail gab und deren Inhalt nicht richtig ist.

Wir finden es in höchstem Masse schamlos und bedauernswert, dass im Zusammenhang mit den Anschlägen offenkundig vorsätzlich oder fahrlässig Fehlinformationen verbreitet werden und diszanzieren uns davon.

– so die offizielle Stellungnahme von CNN.


SCHULZ weiters in seiner schriftlichen Stellungnahme gegenüber Der Glöckel:

In der Berichterstattung über die Terroranschläge in den USA hat n-tv am vergangenen Dienstag, dem 11. September, Bilder von tanzenden Menschen in der West Bank ausgestrahlt, die wir von unserem Partnersender CNN übernommen haben.

Offensichtlich in Folge einer über das Internet verbreiteten Falschmeldung sind Zweifel an der Authentizität des Materials aufgetreten. Wir – wie auch die Kolleginnen und Kollegen von CNN – möchten auch auf diesem Wege noch einmal deutlich machen, dass die am letzten Dienstag gezeigten Aufnahmen am selben Tag von einem Kamerateam der internationalen Nachrichtenagentur Reuters aufgenommen worden sind.

Faksimile aus der Stellungnahme von n-TV zur verbreiteten Falschmeldung im Internet

Faksimile aus der Stellungnahme von n-TV zur verbreiteten Falschmeldung im Internet

Was und vor allem wer war nun Urheber dieser der falschen Berichterstattung bezichtigenden E-Mail, die wie ein Lauffeuer um den Globus ging? Auf einer Internetseite von Indymedia.de wurde von einem Autor mit Nikname: ADLER am 13.9.2001 ein entsprechender Beitrag unter der Headline: „Woher die tanzenden palestinänser kommen“ mit der Unterüberschrift: „Wieder mal ein Beweis, wie die Mainstreammedien arbeiten“ (Anm. Originalabschrift) Im englischen Text befindet sich dann die Story von einem Studenten namens MARCIO aus Brasilien, publiziert am 12.9.2001. MARCIO A. V. de CARVALHO hat angegeben, daß am Tage der Anschläge seine Professorin während des Unterrichtes erklärt hat, dass sie diese Bilder der jubelnden Palästinenser bereits 1991 im Fernsehen gesehen hätte und sogar das Video mit der Aufzeichnung hätte. Auf Grund der Erregung veröffentlichte der Student das entsprechende Posting, dessen Inhalt in weiterer Folge im Schneeballsystem sich so rasch verbeitete. Die Videoaufnahme wollte er nachbringen, jedoch stellte sich bei Urgenz bei seiner Professorin wegen des Videos heraus, daß sie gar keine Aufzeichnung hatte. Bereits am Freitag, den 14.9.2001, revidierte der Student seine Falschmeldung:

Ich entschuldige mich aufrichtig für diese ungeprüften Informationen, leider kann ich sie nicht belegen.

Dies ist auch an Hand von weiteren Beispielen belegt, wie, daß die Type des auf der gezeigten Aufnahme befindlichen Autos erst seit Mitte der 90er Jahre produziert wird. Was übrig bleibt ist der fahle Nachgeschmack, daß die Medien allgemein offensichtlich einen derart schlechten Ruf unter ihren Konsumenten haben, daß abertausende User ohne Überprüfung diesen e-Mail-Inhalt für bare Münze nahmen und sofort kommentarlos weiterschickten.

022009


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